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Richard Warburton

Global Market Sector Director, Property & Investment bei Arcadis

Die Wertsteigerung von Immobilieninvestitionen und Immobilienbesitz ist ein langfristiges Projekt. Es erfordert erhebliche Kapitalinvestitionen und die Bereitschaft, ein gewisses Risiko einzugehen. Aber es ist auch mit der berechtigten Erwartung solider und stabiler finanzieller Erträge verbunden. Von den üblichen Konjunkturzyklen abgesehen, hat sich in diesem Wirtschaftszweig seit fast einem halben Jahrhundert wenig geändert. Aber die vergangenen Jahre waren von großen Veränderungen geprägt und der Erkenntnis, dass diese Entwicklung nicht nur weitergehen, sondern sich im Tempo noch beschleunigen wird.

Die Auswirkungen des Klimawandels (und die regulatorischen Maßnahmen zu deren Bewältigung) sind die wichtigsten Treiber dieser Transformation. Daraus ergibt sich, dass der Immobilieninvestitionssektor vor einer gewaltigen Herausforderung steht: der Zunahme deutlich wertgeminderter Vermögenswerte oder funktional veralteter Objekte. Angesichts dieser Entwicklungen richten sich alle Augen auf ESG als Lösung.

Aber reicht dieser singuläre Fokus auf ESG aus, um den langfristigen Wert von Immobilienportfolios zu erhalten? Oder ist ESG vielleicht doch nicht das Allheilmittel, das die Investierenden erwarten?

Warum ESG die Aufgabe womöglich nicht erfüllen kann

Rund um ESG, d. h. um die Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte von Unternehmen, herrscht allgemein ein großer Hype. Ein deutlicher Indikator ist z.B. die wachsende Zahl von ESG-Expert*innen in allen Branchen und Sektoren. Das ergibt durchaus Sinn. Investor*innen haben erkannt, dass sie sich gemeinsam mit den relevanten Themen der Dekarbonisierung und des Klimawandels auseinandersetzen und zu einer gerechteren Gesellschaft beitragen müssen.

Der Begriff „ESG“ wird sowohl als Synonym für „Nachhaltigkeit“ als auch für eine ganze Reihe weiterer nicht-finanzieller und sozialer Faktoren verwendet. Aber bisher konnte ESG nicht das Versprechen einlösen, den Wert von Immobilieninvestitionen zu sichern und die Verantwortlichen in den Unternehmen zu befähigen, entschlossen gegen den Klimawandel vorzugehen.

Die kollektive Herausforderung besteht darin, dass das ESG-Konzept an Mehrdeutigkeit und einem Mangel an einheitlicher Anwendung leidet. Das führt zu Missverständnissen und allgemeiner Unklarheit darüber, welche Daten wir berücksichtigen müssen und ob bestimmte Daten belastbar, aussagekräftig und entscheidungsrelevant sind. Die ESG-Landschaft ist außerdem dynamisch und verändert sich schnell, insbesondere wenn es um die Positionierung und den Wert vorhandener Immobilien geht. 

Hinzu kommen zahlreiche weitere Faktoren, die das Spielfeld für Immobilienbesitzer*innen und Investor*innen verändern. Neue Vorschriften sind entweder bereits in Kraft oder werden demnächst erlassen. Die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) der EU im Finanzdienstleistungssektor und die britischen Anforderungen an die Offenlegung von Nachhaltigkeitsdaten sind prominente Beispiele.

Auch Mietparteien und andere Interessengruppen fordern eine nachhaltigere Nutzung. Die Fortschritte bei Technologie und Materialien verändern die Art und Weise, wie wir Objekte bauen und instandhalten. All das geschieht in einem ökonomischen Umfeld mit hohen Zinsen und hohen Baukosten.

Vielleicht ist es kein Wunder, dass die Frage, wie die Zusagen der Unternehmen in konkrete Maßnahmen umgewandelt werden können, für einige zu einer Pflichtübung geworden ist, die man abhaken kann. Aber dieser Ansatz ist auch riskant, da die Aufsichtsbehörden sich zunehmend darauf konzentrieren, Green Washing anzuprangern. Auf den ersten Blick mögen einige Investor*innen denken, dass Nichtstun und Abwarten die beste Option ist. Aber diese Vorgehensweise setzt sie erheblichen rechtlichen, regulatorischen und Reputationsrisiken sowie klimabedingten, materiellen Risiken für ihre Immobilienportfolios aus.

Die unausweichliche Herausforderung für den Sektor

Der aktuelle Transformationsdruck erfordert schnelle Investitionsentscheidungen, die die Nachhaltigkeitsleistung der Immobilien verbessern. Das gilt insbesondere in Zeiten anhaltend hoher Energiepreise. Gleichzeitig müssen individuelle Strategien für eine geeignete Positionierung der Green Economy ausgearbeitet und umgesetzt werden.

Schätzungen zufolge sind der Bau und der Betrieb von Gebäuden für 39 % der energiebedingten CO2-Emissionen verantwortlich. Das bedeutet, dass dieser Sektor eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung der weltweiten Klimakrise spielt. Wenn es um Neubauten geht, ist es relativ einfach, nachhaltige Immobilien mit einem guten ESG-Rating zu bauen. Die Frage ist, wie Investor*innen und Eigentümer*innen gemeinsam ihre Bestandsimmobilien dekarbonisieren können, die für rund 27 % der energiebedingten CO2-Emissionen verantwortlich sind. Um die Herausforderung zu quantifizieren: Es gibt Anzeichen dafür, dass etwa 80 % der bestehenden Bürogebäude in London derzeit nicht die Anforderungen des Energieausweises für 2030 erfüllen.

Echter Wandel im gesamten Sektor, insbesondere vor dem aktuellen Markthintergrund, erfordert Zeit, erhebliche Investitionen und Entschlossenheit. Aber die Realität ist, dass Untätigkeit kein gangbarer Weg mehr ist, um Immobilienwerte zu erhalten und langfristige Erträge zu sichern.

Schon jetzt sehen wir, dass Immobilien, die sich auf dem Weg zur Klimaneutralität befinden, eine „grüne Prämie“ erhalten. Für Investor*innen und Eigentümer*innen gibt es einige gute Gründe, jetzt zu handeln. Erstens ist es selbst unter den aktuellen Marktbedingungen kostengünstiger, bereits jetzt tätig zu werden. Zweitens ermöglicht ein früheres Handeln einen längeren Zeitraum für sichere Erträge. Und drittens ist es das Richtige für unseren Planeten. Finanzielle Ressourcen und Forderungen der Stakeholder bewegen sich in die gleiche Richtung - hin zu nachhaltigeren Immobilien. Der springende Punkt ist, dass die Immobilien, die am stärksten gefährdet sind, veräußert werden, und zwar von den Eigentümer*innen die ihr Risiko mindern und ihre Bonität und Rendite verbessern wollen. Aber das sind genau die Immobilien, die den größten Sanierungsbedarf haben. Das Risiko besteht darin, dass wir am Ende einen gespaltenen Immobilienmarkt haben. Diejenigen, die in eine nachhaltige Zukunft investieren können und wollen und damit langfristig die gewünschten finanziellen und sozialen Renditen erzielen, stehen denjenigen gegenüber, die das nicht können, auch nicht unter Einhaltung der geltenden Vorschriften. Solange diese zweite Gruppe von Immobilien, die einen erheblichen Teil des Bestands ausmachen, nicht angemessen berücksichtigt werden kann, werden die gemeinsamen Anstrengungen der Branche zur Dekarbonisierung der Zukunft nicht erfolgreich sein.

Ein resilienterer Ansatz

Wir bei Arcadis verstehen ESG als ein wichtiges Teil eines Puzzles, das wir zusammensetzen müssen, um einen langfristigen Immobilienwert und resilientere Renditen zu gewährleisten. Aber die Konzentration auf ESG allein übersieht das Gesamtbild der Aspekte, die Immobilieninnvestor*innen berücksichtigen sollten. ESG konzentriert sich darauf, wie sich eine einzelne Immobilie auf ihr weiteres Umfeld und die Kommune auswirkt. Um wirklich langfristigen Wert zu schaffen, müssen sich die Investor*innen auch damit beschäftigen, wie ihre einzelnen Assets durch das Umfeld, in dem sie sich befinden, beeinflusst werden.

Nehmen wir zum Beispiel an, ich besitze ein Bürogebäude in einer Stadt. Dann könnte ich mich sehr auf die ESG-Performance des Gebäudes konzentrieren und in seine Modernisierung mit Solarmodulen und LED-Beleuchtung investieren sowie hochmoderne digitale Systeme zur effizienten Regulierung des Stromverbrauchs einbauen. Ich könnte auch Maßnahmen ergreifen, um das Gebäude gegen die Auswirkungen des Klimawandels zu schützen, indem ich für Hochwasserschutz sorge und die Notstromversorgung vom Keller in ein höheres Stockwerk des Gebäudes verlege.

Aber was passiert, wenn bei Starkregen die Stadt überschwemmt wird und mein Gebäude zwar im Wesentlichen nicht betroffen ist, aber das öffentliche Verkehrssystem der Stadt zerstört ist und die Beschäftigten, die mein Gebäude nutzen, es nicht erreichen können? Oder was ist, wenn Versorgungsleistungen wie Strom, Wasser und Internet ausfallen?

Die Antwort ist, dass mein Gebäude trotz meiner bestmöglichen ESG-Maßnahmen zu einem verlorenen Vermögenswert werden könnte. Aus diesem Grund verfolgen wir bei Arcadis einen ganzheitlichen Ansatz, um unseren Kunden zu helfen, ihr Immobilien-Investmentportfolio zu schützen.

Die Auswirkungen des Klimawandels sind vielfältig und weitreichend. Sie lassen sich nicht auf eine einfache ESG-Checkliste herunterbrechen. Die ESG-Bewertung berührt zwar einige Aspekte der klimatischen Herausforderungen. Dabei wird jedoch unserer Meinung nach das gesamte Ausmaß der möglichen Auswirkungen vernachlässigt. Diese Auswirkungen erstrecken sich auf zwei Bereiche: physische Risiken (Überschwemmungen, Hitzestress in Städten, Dürre, Stürme, damit verbundene Reparaturkosten, Geschäftsunterbrechungen) und transformative Risiken (Veränderungen in der Politik, bei Vorschriften, Technologien und Märkten sowie juristische Risiken und mögliche Reputationsschäden). Diese breitere Sicht schafft bessere Voraussetzungen für fundierte Entscheidungen und Investitionen, die den langfristigen Anlagenwert schützen können.

Die Lösungsstrategien: Bottom Up und Top Down

Wir bei Arcadis setzen uns nachdrücklich für einen umfassenderen und integrierten Ansatz zum Schutz von Immobilieninvestitionen ein, indem wir bei unserer Arbeit mit Kunden die Klimakrise sowohl mit Blick auf die konkreten Assets als auch auf das urbane Umfeld betrachten. Unsere Arbeit in New Yorks Lower Manhattan nach dem Supersturm Sandy ist ein Beispiel für diese Methode.

Bereits 2012 verwüstete Hurrikan Sandy die Stadt. Die Überschwemmung des Verizon-Büros an der West Street 140 legte die Telekommunikation an der Wall Street lahm und führte dazu, dass die Börse für zwei Tage geschlossen blieb. Nach dem Sturm haben wir mit Verizon zusammengearbeitet, um das Büro gegen künftige Überschwemmungen zu schützen, sodass es im Falle eines weiteren Supersturms gesichert ist. Aber auch auf städtischer Ebene engagieren wir uns für das Projekt East Side Coastal Resiliency (ESCR). Im Rahmen des ESCR-Projekts entsteht ein 2,4 Meilen langes System von Fluttoren und Flutmauern, die nahtlos in die umliegenden Straßen integriert werden.

Durch unsere kombinierte Bottom-Up- und Top-Down-Strategie tragen wir dazu bei, den Investitionswert in Lower Manhattan zu sichern. Aber noch wichtiger ist, dass wir zur Resilienz des Viertels beitragen und damit die Einwohner*innen vor den Auswirkungen des Klimawandels schützen. Das ESCR verbessert auch die Versicherungswürdigkeit von Immobilien in Lower Manhattan. Das Projekt erhielt aufgrund seines Potenzials, diesen Teil der Stadt vor klimabedingten Überschwemmungen zu schützen, einen Bundeszuschuss in Höhe von 388 Millionen Dollar (USD). Das unterstreicht, dass der Übergang zu klimaangepassten Städten auch Chancen bietet, neue Finanzierungsquellen zu erschließen, z. B. Zuschüsse für die Katastrophenvorsorge, grüne Energie, Infrastrukturzuschüsse und Steueranreize.

Kein Widerspruch: Erlöse sichern und Klimawandel bekämpfen

Für eine nachhaltig positive Wert- und Ertragsentwicklung von Immobilien-Assets reicht der Fokus auf ESG nicht aus. Nur wenn in Immobilieninvestor*innen dieses größere Bild begreifen, können sie überzeugende Geschäftsszenarien entwickeln und ohne Reue heute Investitionsentscheidungen treffen, die sich morgen auszahlen werden. Wir bei Arcadis helfen unseren Kunden dabei, indem wir sowohl auf der Ebene der einzelnen Assets als auch auf der Ebene der städtischen Umfelder und Kontexte arbeiten. Wir nutzen prädiktive Daten und hochmoderne Technologien, damit unsere Kunden Gewinne erzielen und gleichzeitig nachweislich positive Auswirkungen auf den Klimawandel haben können. Gemeinsam können wir beides erreichen.

Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie in unserem Bericht International Construction Costs 2023: New Horizons.

AUTOR

Richard Warburton

Global Market Sector Director, Property & Investment bei Arcadis

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